Sind die „Protokolle der Weisen von Zion“ echt?

By Team GeschichtsCheck, 11. Oktober 2016

Auf einen Blick:

  • Die „Protokolle“ sind eine plumpe Fälschung aus der Zeit der Jahrhundertwende
  • Mit ihnen sollte eine vermeintliche jüdische Weltverschwörung belegt werden
  • Tatsächlich sind sie zum größten Teil aus anderen Büchern abgeschrieben worden

Im Bild:

Lesestoff:

Immer wieder stößt man im Internet auf einen eher bürokratisch klingenden Buchtitel, wenn es um Wirtschaftskrisen, Kriege und die Machtverteilung in der Welt geht: die „Protokolle der Weisen von Zion“. Mitunter wird dieses Werk auch von offline wirkenden Persönlichkeiten als historische Quelle zitiert: Der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon (ehemals Mitglied der AfD-Fraktion) beispielsweise zitierte sie als „Mitschrift einer Geheimtagung“,1  der katholische Bischof und Holocaustleugner Richard Williamson zog sie als vermeintlich authentischen Beweis dafür heran, dass Juden nach der Weltherrschaft streben würden.2

Vereinbarung zur Weltherrschaft

Was steht nun in diesen „Protokollen“? Der Text gliedert sich in 24 „Sitzungen“ der titelgebenden „Weisen von Zion“, einer Art Vorstand der Juden weltweit. Zusammenfassend beschreiben sie einen schon seit Jahrhunderten bis Jahrtausenden laufenden Plan einer jüdischen Weltverschwörung, alle anderen Menschen zu unterdrücken und auszubeuten. Der wichtigste Schritt dabei sei die Einführung der Idee von Freiheit und die Demokratie: Während nämlich der mächtige, landbesitzende Adel unabhängig gewesen sei, wären die nun häufig neu zu wählenden Politiker allesamt in jüdischer Hand.3

Wer die „Protokolle“, deren Verbreitung in Deutschland als strafbare Volksverhetzung betrachtet wird, in Gänze liest, kann eigentlich kaum auf Idee kommen, dass es sich dabei um echte Mitschriften von Sitzungen böswilliger Menschheitsunterdrücker handelt. Dem Text fehlt jegliche Subtilität:

„Sie werden einwenden, daß man sich gegen uns mit bewaffneter Hand erheben werde, wenn man vorzeitig merkt, um was es sich handelt. Für diesen Fall besitzen wir ein so furchtbares Mittel, daß selbst die tapfersten Herzen erzittern. Bald werden in allen Hauptstädten Untergrundbahnen gebaut sein; von dort aus werden wir alle Städte samt allen ihren Einrichtungen und ihren Urkunden in die Luft sprengen.“4

Ebenso fehlt dem Werk jede wirklich konkrete Handlungsanweisung zur Weltherrschaftserlangung, dazu auch jeder Bezug zu einem tatsächlichen, realistischen Sitzungsablauf. Nimmt man für eine Sekunde ernst, was dort steht, scheint sich jeder der Redner auf einen Vortrag für Neulinge im Weltverschwörungswesen vorbereitet zu haben:

„Sie [die nichtjüdischen Verwaltungsbeamten, d. V.] werden […] sich ganz in den Händen unserer geschulten und begabten Ratgeber befinden, die von Jugend auf zur Herrschaft über die ganze Welt erzogen wurden. Wie Ihnen bekannt ist, haben diese Sachverständigen ihre Kenntnis der Regierungskunst aus unseren staatsmännischen Plänen, aus den Lehren der Geschichte und den Beobachtungen der Gegenwart geschöpft. Die Nichtjuden kennen nicht die Übung leidenschaftsloser, auf die Geschichte begründeter Beobachtungen […]. Die Hauptsache bleibt, daß sie fest an das glauben, was wir ihnen als Gebote der Wissenschaft eingeträufelt haben.“5

Plagiat als Beweis

Aber selbst wenn man diese texteigenen Merkmale nicht als Indiz einer Fälschung annimmt, gibt es doch auch Beweise dafür: Denn der Text, der im Jahr 1903 erstmals in einer russischen Zeitung erschien, wurde teilweise aus anderen Texten zusammenkopiert. Der Grundgedanke einer regelmäßig tagenden jüdischen Führungsebene entstammt dem 1868 erschienenen Roman „Biarritz“ von Herrmann Goedsche. Dieser beschreibt in einem Kapitel ein alle 100 Jahre auf dem Prager Friedhof stattfindendes Treffen der Vertreter der zwölf Stämme Israels, die nacheinander den Geldbesitz ihrer Banken offenlegen und dann ihr Programm für die nächsten 100 Jahre festlegen: Mischehen von Juden und Christen, Börsenbeherrschung, Adel in Schulden treiben, Kirche vom Staat trennen, Kirche enteignen, Militär entwaffnen, Revolutionen anzetteln, Handel kontrollieren, Presse übernehmen – und so weiter.6 Diese Textstelle entwickelte daraufhin ein bemerkenswertes Eigenleben, wurde aus dem restlichen Roman herausgetrennt und als Tatsachenbericht in ganz Europa verteilt, vorrangig in Russland.

Viel wichtiger für den Beweis der Fälschung der „Protokolle“ ist allerdings das Werk „Dialogue aux enfers entre Machiavel et Montesquieu“ von Maurice Joly: Es wurde ebenfalls in den 1860er Jahren anonym in Brüssel gedruckt und stellte ein fiktives Gespräch zwischen den beiden Philosophen Machiavelli und Montesquieu dar. In diesem Werk geht es nur an einer einzigen Stelle um Juden, als es um Kaufleute geht. Und dennoch stimmen etwa 40 % dieses Textes weitgehend mit dem der „Protokolle der Weisen von Zion“ überein, die fast 40 Jahre später verbreitet wurden.

Dass die „Protokolle“ bis heute als Beweis für eine jüdische Verschwörung angeführt werden, kann also nur damit erklärt werden, dass sie ein vermeintlich leichtes Welterklärungsmodell bieten. Alles was in unserer Welt falsch läuft, was sich womöglich verschlechtert hat, was die eigene Lage misslicher gemacht hat, muss an diesen „Weisen von Zion“ liegen. Damit wird unsere komplexe Welt auf eine klar umrissene Gruppe von Schuldigen heruntergebrochen.

  1. Armin Pfahl-Traughber: Wolfgang Gedeon und die „Protokolle der Weisen von Zion“, http://hpd.de/artikel/wolfgang-gedeon-und-protokolle-weisen-zion-13147 [08.10.2016]. []
  2. Juliane Wetzel: The Protocols of the Elders of Zion on the internet: How radical political groups are networked via antisemitic conspiracy theories, in: Esther Webman (Hrsg.): The global impact of the Protocols of the Elders of Zion. A Century-Old Myth, London 2011, S. 149. []
  3. Gottfried zur Beek (Hrsg.): Die Geheimnisse der Weisen von Zion, Charlottenburg 1922, S. 34. []
  4. Gottfried zur Beek (Hrsg.): Die Geheimnisse der Weisen von Zion, Charlottenburg 1922, S. 47. []
  5. Gottfried zur Beek (Hrsg.): Die Geheimnisse der Weisen von Zion, Charlottenburg 1922, S. 35. []
  6. Jeffrey L. Sammons (Hrsg.), Die Protokolle der Weisen von Zion: Die Grundlage des modernen Antisemitismus – eine Fälschung, Göttingen 1998, S. 8-9. []